1. Bildungswissenschaft als Wissenschaft entstand in dem Moment,
als Wissenschaftler begannen, die Geschichte der Erziehung systematisch
darzustellen.
2. Im 5. Jh. v Chr. erfordern die neu entstandenen griechischen
Demokratien die Fähigkeit, in einen öffentlichen Diskurs über
Angelegenheiten der Verwaltung und Staatsführung einzutreten. Da es sich
nicht um parlamentarische oder anders repräsentative Demokatien handelt,
muss jeder Staatsbürger seine Interessen selbst gegenüber den anderen
Staatsbürgern vertreten und Mehrheiten suchen. Dafür sind Kenntnisse in
Rhetorik erforderlich (nach Meinung der Sophisten) , eine Ausbildung in
Philospohie als höchster Tugend (nach Auffassung von Sokrates und
Platon) oder eine Kombination aus Rhetorik und allgemeiner Bildung
(Isokrates).
3. Im 17. und 18. Jh. machen rationales Denken und emanzipatorisches
Interesse das pädagogische Programm der Aufklärung aus. Ziel der
Erziehung ist einerseits, sich von Unwissen und Aberglauben zu befreien,
andererseits, selbst zu denken und ein eigenes Urteil zu entwickeln. Um
individuelles und allgemeines Glück zu erreichen, müssen Zöglinge ein
tugendhaftes Leben erlernen (Locke), ihre grundsätzlich guten Anlagen
vervollkommen und von negativen Einflüssen reinhalten (Rousseau) oder
durch selbständiges Denken zu moralischen Urteilen gelangen können
(Kant).Die philantropische Bewegung entwickelte aus diesen Ideen
konkrete pädagogische Konzepte und setzte diese auch praktisch um.
4. Der ab Ende des 18. Jh. entstandene Neuhumanismus wandte sich gegen
die Nützlichkeitsüberlegungen der Aufklärung und dem Menschen und seiner
individuellen Entfaltung zu. Dazu sollten die alten Sprachen und
antike Literatur studiert werden. Je nach Neigung sollten die Zöglinge
sich dann weiter mit Sprache oder Mathematik auseinandersetzen. Es
entstand ein staatliches SchulIwesen, das zumindest formal diesem Ideal
verpflichtet war. Dabei ging es um Bildung als Selbstweck, eine
allgemeine, nicht berufsbildende Bildung (v. Humboldt) um kritische
Auseinandersetzung mit Ausbildungsinhalten und die Vereinigung von
Individualisierung und Sozialisation (Schleiermacher).
5. Um 1900 stellen Pädagogen aus unterschiedlichen Bewegungen fest, dass
die entstandenen Volks- und Elementarschulen in ihrem Bildungsauftrag
stark eingeschränkt sind, die Gymnasien dagegen mit überbordender und
die Schüler überfordernder Stofffülle das andere Extrem darstellen. Sie
fordern in unterschiedlicher Ausprägung Reformen der kulturellen und
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, der Struktur und Inhalte an den
Schulen selbst, die Durchführung von emprischer Forschung und generell
eine Erziehung, die das Kind zum Ausgangspunkt nimmt. In ihren
Überlegungen und Ansätzen nehmen die Reformpädagogen teilweise das
Gedankengut und erzieherische Mittel, die während der NS-Zeit propagiert
werden, vorweg.
6. Während der NS-Zeit kommt es zur Installation eines außerschulischen
Erziehungssystems, das, zusammen mit den staatlichen Schulen, die von
der Regierung propagierten Erziehungsziele umfassend und flächendeckend
umsetzt. Dazu zählen die Annahme einer Hierarchie angeblicher Rassen,
die Bevorzugung körperlicher Ertüchtigung gegenüber geistiger Bildung,
die Vermittlung soldatischer Tugenden und ein generelles Misstrauen
gegenüber Wissenschaft und intellektueller Betätigung. Die
Erziehungswissenschaft wie auch die akademisch ausgebildete Lehrerschaft
werden stark ausgedünnt. Einige der nationalsozialistisch geprägten
Erziehungswissenschaftler wirken auch nach 1945, in teilweiser Abkehr von
dem NS-Gedankengut, weiter als Professoren.
7. 1945 endet diese Geschichte des pädagogischen Denkens, an dieser
Stelle kann ich nur mutmaßen, ob die Geschichte nach 1945 schlicht noch
als gegenwärtig angesehen wird, oder ob diese in einer der weiteren
Lerneinheiten thematisiert wird.
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