Donnerstag, 8. Dezember 2011

München, Hypo-Kunsthalle: Dürer - Cranach - Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500



* eine reise wert
Albrecht Dürer 073
im detail:
**einführung: die ausstellung hält sich nicht mit einer langen einführung auf, jedes kapitel wird jedoch mit einem präzisen und erhellenden wandtext eingeleitet (leider keine saalzettel).
**benutzerführung: exzellent. der räumlichen folge der säle folgend, durchschreitet der besucher die einzelnen in sich abgeschlossenen ausstellungskapitel, die die entwicklung, verschiedene aspekte und besonderheiten der frühen deutschen porträtmalerei behandeln
**aufstellung/hängung: sehr gelungen. die gemälde sind vor damastbezogene kräftigfarbige tafeln gehängt, die den gemälden einen passenden kontrast bieten und auch innerhalb eines grossen saals eine intime situation andeuten.
**umfang: sehr umfangreich und umfassend. mindestens 2 stunden (es gibt keine sitzgelegenheiten!).
**inhalte: detaillierte darstellung der deutschen porträtkunst der renaissance. wie kommt es zur ausbildung des bildtyps porträt? wer und was wird dargestellt und warum? was sind die besonderheiten der deutschen ausprägung dieses bildtyps? welche funktion hatten porträts z.b. im zuge der reformation oder bei der etablierung eines herrschers? besonders faszinierend, dass die alten dm-scheine, also die "generationen" vor der clara-schumann-serie, durchweg auf porträtdarstellungen reicher bürger und kaufleute der renaissance zurückgriffen, um die neue währung d-mark mit alter bürgertradition aus unverdächtiger zeit aufzuladen. faszinierend auch, dass es sich dabei nicht, wie ich aufgrund der darstellungen auf den scheinen immer angenommen hatte, um stiche oder zeichnungen, sondern um ölgemälde handelt.
**hintergründe: ob die tatsache, dass es sich hier um die hypo-kunsthalle handelt, für die vielen d-mark-gemälde verantwortlich ist?
**architektur: die kunsthalle ist an die edle münchener einkaufspassage 5 höfe angegliedert. aus dem cafe kann man lustig auf die einkaufenden herunterblicken. die ausstellungsräume haben angenehmes (tages?-)licht von oben, sonst eher unspektakuläre architektur, die ausstellungshalle wird als gebäude nicht recht fassbar.
**extras: keine
**homepage: www.hypo-kunsthalle.de
**fazit: münchen übernimmt die gründliche aufarbeitung eines themas, das sich berlin mit seinem gesichter-der-renaissance-blockbuster ebenfalls vorgenommen hat. berlin hab ich verpasst, münchen erledigt die aufgabe minutiös und allgemeingültig. insgesamt grandios und wird auch überdauern in form des sehr schönen katalogs.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Berlin, Neue Nationalgalerie. Taryn Simon: A Living Man Declared Dead and Other Chapters

* grandios
Albino Family
im detail:
**einführung: die einführung ist, ähnlich wie schon in dieser ausstellung von hehrer grundsätzlichkeit geprägt, eher abstraktes programm als erläuterung oder einführung.
**benutzerführung: findet nicht statt, was aber durchaus gewollt ist. die ausstellung hat keine reihenfolge, bzw. funktioniert in jeder reihenfolge.
**aufstellung/hängung: hermetisch. dunkelgraue hohe vitrinen, die eine art leuchtkasten umfassen, in denen fotos und texte präsentiert werden. die anordnung als triptychon aus zwei hochformatigen und einem querformatigen rechteck wird in der gesamten ausstellung streng befolgt. jeder der 18 leuchtkästen stellt ein kapitel, eine akte dar, erzählt die geschichte einer familie. links dargestellt sind sämtliche blutsverwandten abkömmlinge jeweils einer person, wobei sich streng einheitlich gestaltete porträts mit platzhaltern für verstorbene, verschollene, inhaftierte, erkrankte oder nicht kooperative familienmitglieder abwechseln. das mittlere rechteck beschreibt in formalen, fast unbeteiligten, verwaltungshaften sätzen das ereignis oder schicksal, das den grund für die darstellung dieser familie bildet. rechts sind weitere beweisstücke angeführt, urkunden, fotos, gegenstände.
**umfang: wie von taryn simon gewohnt ist die ausstellung textlastig und erschließt sich nur, wenn man die texte tatsächlich gründlich liest. obwohl nur 18 triptychen gezeigt werden, sollte man mindestens 2 stunden einplanen.
**inhalte: taryn simon beleuchtet menschliche abgründe.
**hintergründe: taryn simon verbindet auch in dieser ausstellung geradezu entwaffnend ausgeleuchtete fotografien mit eigentlich unsichtbaren zusammenhängen, die schonungslos und dabei formal überaus ästhetisch ans licht gebracht werden.
**architektur: der scheinbar schwerelose glaskasten der neuen nationalgalerie bildet einen schönen kontrast zu den schwer und unzugänglich wirkenden vitrinen.
**extras: nicht nötig.
**homepage: www.freunde-der-nationalgalerie.de/de/projekte/ausstellungen/2011/taryn-simon
**fazit: trotz der ernsten themen faszinierend. einen besuch wert.