An was ich mich so erinnere (Ba-Wü, Abi 95):
Unterstufe
Theodor Storm: Pole Poppenspäler (das war meine erste Schullektüre überhaupt, ich las es mit Neugier und Interesse und war dann recht enttäuscht: das Buch war langweilig und entsprach gar nicht dem, was ich kindlich naiv vom Gymnasium erwartet hatte, nämlich deutlich grandiosere Bücher als die, die ich bis dahin gewissermaßen "privat" gelesen hatte, dazu kam die Zerlegung des Textes im Unterricht, die ich befremdlich fand und die auch danach alle anderen Lektüren im Deutschunterricht zuverlässig belastete).
Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich (mochte ich nicht, ich hatte zu dieser Zeit schon mehrere Meter "dtv pocket", "Geschichte erzählt" etc. verschlungen und fühlte mich hinreichend über das Dritte Reich und alles was damit zusammenhing (jedenfalls aus Sicht einer Sechstklässlerin) informiert, den Tonfall habe ich als belehrend und verstaubt in Erinnerung)
Judith Kerr: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (wenn ich mich nicht irre, haben wir das im Religionsunterricht gelesen, ich mochte es nicht, weiß aber nicht mehr warum).
E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi (erinnere mich an nicht viel, irgendwas mit einer Halskette?)
Ich musste ein Buch vorstellen und entschied mich für "Die Wolke" von Gudrun Pausewang, war dann aber selbst so davon ergriffen, dass ich meinen Mitschülern vermutlich nicht viel sinnvolles darüber erzählen konnte. Immerhin wollten danach einige das Buch leihen, vielleicht war es doch nicht so schlecht.
In den Fremdsprachen lasen wir meiner Erinnerung nach in der Unterstufe nur die Texte, die in den Lehrbüchern in Auszügen und einfacher Form abgedruckt waren.
Mittelstufe
Deutsch:
zahllose Kurzgeschichten
Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker (Spannend und intelligent, ich las daraufhin weiteren Dürrenmatt privat)
Dürrenmatt: Die Physiker
Frisch: Biedermann und die Brandstifter (Unerträglich penetrant und öde in meiner Erinnerung)
Schiller: Wilhelm Tell
Schiller: Maria Stuart
Goethe: Götz von Berlichingen
Goethe: Iphigenie auf Tauris
Goethe: Faust I
Christa Wolf: Kassandra (Ich hatte kurz davor Marion Zimmer Bradleys Feuer von Troja gelesen und fühlte mich "im Stoff", wurde dann enttäuscht, weil es letztlich um etwas ganz anderes ging, was damals kurz nach der Wende dann selbst schon ins Historische abglitt)
Betty Mahmoody: Nicht ohne meine Tochter (Dramen mochte ich generell nicht - mir fehlte irgendwie das Beschreibende, Reflektierende. Unser Lehrer Dr. Laufer war aber so mutig, mit uns einen aktuellen Bestseller zu lesen. Das zog wohl Kritik und Unverständnis im Kollegium nach sich - wir fanden es klasse, auch wenn wir dann am Ende zugeben mussten, dass das Buch eher Schund war, aber immerhin hatten wir das dann selbst und mit Methode herausgefunden. Mit etwas Nachdenken: wir hätten viel öfter mal ein Buch nach Strich und Faden besprechen und dann zum Schluss kommen sollen, dass es nichts taugt. Ein Hauptnachteil der Lektürezerlegung im Unterricht war wohl, dass das Ergebnis (wichtiges gutes Werk) stets schon fest stand, und es für uns nichts eigenes herauszufinden gab.)
Englisch:
John Steinbeck: Of Mice and Men (Mir fällt auf, wie oft das in den Lektüreberichten der Blogger auftaucht. Ich habe keine Erinnerung an den Inhalt und das Buch ist mir auch sonst in meinem weiteren Leben nicht untergekommen - warum wird gerade dieses Werk landauf landab in den Schulen gelesen???)
Shakespeare: Macbeth
Latein:
Cäsar: De bello gallico
Cicero: De oratore
Ovid: Metamorphoses
Einhard: Vita caroli magni
Teppich von Bayeux
Sallust: De coniuratione Catilinae
Vergil: Aeneis
Auszüge aus der Legenda Aurea
Im Nachhinein überrascht mich, dass wir doch auch einiges an Mittellatein gelesen haben. Und es verwundert mich, dass die Textüberlieferung nie ein Thema war. Als hätte man Cäsars persönliches Exemplar aus der Bibliothek geholt und unter den Kopierer gelegt. Historisch eingeordnet wurde das schon. Trotzdem finde ich es im Nachhinein etwas eigenartig, welche Inhalte uns da eigentlich so zugemutet wurden. Geschadet hat es denke ich nicht, aber vielleicht hätte man mehr draus machen können?
Oberstufe:
Deutsch:
Frisch: Homo Faber (mochte ich gar nicht, war irgendwie alles absehbar und zu langatmig)
Frisch: Stiller (mochte ich gern, und las daraufhin privat die Tagebücher, die waren sehr inspirierend)
Lessing: Nathan der Weise (Die einzige Lektüre, die ich erst in
der Klausur gelesen habe. Ich war dann sehr überrascht, dass es in der
Ringparabel tatsächlich um einen echten Ring ging. Ich hatte das bis
dahin als literaturwissenschaftlichen Fachbegriff verstanden, sowas wie
eine Passacaglia oder ein Kanon in der Musik. Der frische Leseeindruck
war aber nicht verkehrt, meiner Erinnerung nach bekam ich dafür 13 Punkte.)
Kleist: Der zerbrochene Krug
Kleist: Michael Kohlhaas
Kleist: Das Erdbeben von Chili
Kleist: Über das Marionettentheater
Kleist: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken (Kleist fand ich großartig und hat mich nachhaltig beschäftigt)
Joseph Roth: Hiob
Joseph Roth: Radetzkymarsch (Der zerbrochene Krug und Hiob waren Abiturthemen. Hiob fand ich recht seltsam und wenig interessant, ich las mich dann aber nach und nach durch das restliche Werk und war begeistert.)
Georg Büchner: Woyzeck
Georg Büchner: Lenz
Georg Büchner: Leonce und Lena (Ich mochte die irgendwie verschobene Sprache, auf mich wirkte das alles seltsam unfertig, offen und damit einladend.)
Latein:
Cato: aber was?
Seneca: Dialoge, Briefe (hat mich sehr angesprochen und mag ich auch heute noch sehr)
Cicero: De re publica?
Tacitus: ?
(Cicero und Seneca waren Abiturthemen, und gefühlt haben wir zwei Jahre nichts anderes gelesen, aber vermutlich stimmt das nicht)
Griechisch:
Homer: Odyssee
Platon: Apologie des Sokrates (leider habe ich Griechisch aus Verblendung nach der 11. Klasse abgewählt)
Nachtrag:
Irgenwo kam das Thema Klassensätze an Schullektüren auf. Das war zu meiner Zeit in Baden-Württemberg auch nicht ungewöhnlich. Reclamhefte wurden jeweils neu angeschafft und mussten von uns auch bezahlt werden. Es gab irgendeine Preisobergrenze, bis zu der Schulbücher selbst gekauft werden mussten, drüber gab es dann die Leihexemplare aus der Schulbibliothek. Andere Blogger*innen berichten, sie hätten die Schulbibliothek leer gelesen - unsere Schulbibliothek bestand in erster Linie aus Klassensätzen von Schulbüchern. Da lieh man nicht individuell aus, sondern bekam zu Beginn des Jahres die Bücher und gab sie am Jahresende wieder ab.
Deutschlektüren gab es natürlich auch unterjährig. Den Atlas durfte man die ganze Schulzeit behalten und sollte erst nach dem Abitur abgeben - ich hab meinen als Zeitdokument frech unterschlagen - immerhin war da noch die DDR drin gewesen, das wollte ich mir bewahren. Für die Deutschlektüren konnte ich mich aus dem Fundus meines Vaters und seines Bruders bedienen - die ganzen Klassiker waren da in Reclam-Ausgaben aus den 50er und 60er Jahren vorhanden, bereits bestens aufbereitet mit Unterstreichungen und Randbemerkungen, sehr praktisch!