Sonntag, 28. November 2021

Kulinarische Weltreise: Marokko ‒ Bastilla!

Im Sommer 2012 trat ich meinen ersten Transatlantikflug an. Von Tegel kommend, reisten wir mit British Airways über das damals neu eröffnete Terminal 5 in Heathrow nach Baltimore, dass wir bei der Rückreise nicht, wie auf unseren Tickets vermerkt, in Berlin-Brandenburg landen würden, hatte sich kürzlich herausgestellt. Anders als befürchtet musste ich während des Fluges nicht leiden: das Wetter war gut und das In-Flight-Entertainment war üppig bestückt mit allem, was gerade so in der BBC lief, dazu einige Kinofilme. 

Zur süßlich-würzigen Bastilla passen säuerliche Granatapfelkerne und ein fruchtig-samtiger Rotwein.

Nach mehreren beeindruckenden Natur-Dokus blieb ich bei einer Koch-, genauer Backsendung hängen, wie ich sie noch nie gesehen hatte: ein Trupp ziemlich normaler Engländer*innen backte um die Wette, an thekenartigen Küchenzeilen, die in einem Zelt, das sich offensichtlich auf dem Gelände eines Country House befand, aufgestellt waren. Jede Folge bestand aus drei Teilen: dem "signature bake", bei dem die Teilnehmer*innen zu einem allgemeinen Oberthema wie z.B. Obstkuchen oder Plätzchen ihre persönliche Kreation buken, der "technical challenge" - alle Bäcker*innen backen ein vorgegebenes, unbekanntes und auch nur rudimentär beschriebenes Rezept und am Ende der "show stopper", hier waren Tortenkreationen und größere Aufbauten aus Gebackenem gefragt, wie sie sich auf einem festlichen Büffet gut machen würden. Jede Woche wurde ein "star baker" gekürt und eine Person schied aus.

Die Zutaten für die Hähnchenfüllung.


Ich war sofort angefixt, nicht nur von den Rezepten und ihrer Umsetzung, sondern auch von den intelligent-unterhaltsamen Gesprächen der Bäcker*innen mit der Jury und den Moderatorinnen und sah während des Fluges alle verfügbaren Folgen, auf dem Rückflug noch weitere. 

Die Zutaten für die Eierfüllung.

Kurz drauf zwangen mich Rückenprobleme für einige Wochen in die "Kistenlage". Der Liebste installierte mir eine Kommandozentrale aus Balkonklapptisch und Laptop neben dem Bett. Ich surfte mich durch Youtube, sah BBC-Dokus aus der großartigen "Horizon"-Reihe. Irgendwann schlug mir der Algorithmus "The Great British Bake Off" vor. Ich schaute mir nochmal alle verfügbaren (und vermutlich nur semi-legal hochgeladenen) alten Folgen an und verfolgte die damals aktuelle 3. Staffel und auch alle weiteren, soweit die zunehmenden Upload-Restriktionen auf Youtube das zuließen, dazu sämtliche Spin-Offs mit Promis zu Wohltätigkeitszwecken, die dazugehörige Talkshow ("extra slice"), die Irischen und Australischen Ausgaben und den ganzen irren Aufschwung des Hobbybackens in England, der damit begann, noch lange bevor irgendein*e deutsche*r Hipster*in angefangen hatte, den ersten Sauerteig im Weckglas anzuzüchten.



2013 übernahm Sat.1 das Konzept unter dem Namen "Das große Backen". Die ersten Staffeln waren entsetzlich. Wo das englische Original seinen Appeal daraus zog, Teilnehmer*innen mit unterschiedlichsten Hintergründen, technisches Fachwissen, Humor und Leidenschaft auf intelligente Weise zusammenzubringen und unterhaltsam zu präsentieren, zeichnete sich die deutsche Version durch eine von Platitüden und Ahnungslosigkeit geprägte Moderation und einem Hang der Teilnehmer*innen zu fondantverkleideten Monstertorten in schreienden Farben ohne Sinn für Geschmack (in jedem Sinne) aus.

Die Mandelfüllung.

Ich trauerte, dass es wohl einfach keine deutsche Mary Berry gibt. Diese Kombination aus bescheidener Ladyhaftigkeit, glaubwürdiger Empathie, Fachwissen und kommerziellem Erfolg als Kochbuchautorin scheitert bei uns vielleicht an der immer noch ausgeprägten Regionalität des Backens? Vielleicht auch daran, dass Frauen ihres Schlages bei uns nicht im Privatfernsehen auftreten würden und unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk sich zu fein wäre, so eine Sendung in der Prime Time zu bringen. So schade. 

Die Eierfüllung.

Kürzlich meinte der Liebste, er hätte mal wieder in "Das große Backen" reingeschaut, und es wäre jetzt deutlich weniger furchtbar, gäbe ernsthaft anspruchsvolle technische Herausforderungen, Gewinner sei nicht die monströseste Motivtorte, sondern es käme auch auf die inneren Werte der Gebäcke an. Ich gab der Sendung also nochmal eine Chance. 

Die Hähnchenfüllung.

Der Liebste hatte Recht. Die aktuelle Folge stand unter dem Motto "Orientalische Gebäcke aus 1001 Nacht". Zwar musste ich mir auch Torten in Form von Terrakottatöpfen, aus denen aus Reiswaffeln und gefärbter Zuckermasse gefertigte Kobras herausstiegen, ansehen, aber es gab auch eine ordentliche Technikaufgabe: "Pastilla". Eine Pastete aus Filoteig, den die Hobbybäcker*innen selbst herstellen mussten, gefüllt mit Hähnchen, Ei und einer Zuckermandelmischung. Ach was ‒ das ist doch genau diese süßlich-herzhafte Pastete, die ich mir für die Marokkofolge der Kulinarischen Weltreise ausgesucht hatte, wenn auch in der Schreibweise Bastilla, die dem Arabischen näher kommt.

Die vorbereiten Teigblätter.

Und so konnte die Sendung genau das bewirken, was das Englische Vorbild bei mir schon mehrfach geschafft hatte: ich musste die Fehler nicht selbst machen, die die Teilnehmer*innen schon gemacht hatten und ich hatte eine vergleichsweise gute Vorstellung von der Umsetzung des Rezeptes, noch bevor ich damit angefangen hatte. Orientiert habe ich mich an diesem Rezept aus dem Blog "Essensfreuden". Und mit dem Ergebnis bin ich diesmal, endlich! nach den weniger guten Erfahrungen mit Ecuador und Holland, richtig zufrieden!


Die Kombination von Zucker und Fleisch ist ungewohnt aber lecker.

Zutaten

4 große runde Yufka-Teigblätter (etwas dicker als Filoteig)
Butter
Puderzucker
1 Eigelb

Füllung 1:
100g gemahlene Mandeln (mehr wäre besser gewesen, ich hatte nicht mehr da)
20g Zucker
0,5Tl Zimt

Füllung 2:
2 Handvoll glatte Petersilie, grob gehackt
4 Eier +1 Eiweiß

Füllung 3:
1200g Hähnchenschlegel (3 Stück)
1 El Olivenöl
2 mittelgroße rote Zwiebeln, gewürfelt
1 kleines Stück Ziegenkäse (im Original Smen, da ist fermentierte Butter)
1 walnussgroßes Stück Ingwer, in feine Würfel geschnitten
1 Stück Zimtstange (etwa 4cm lang)
einige Safranfäden
1 Tl Kurkuma
gemahlener Pfeffer
2 Tl Salz
250 ml Wasser


Zubereitung

Füllung 1: 
Mandeln in einer trockenen Pfanne rösten, abkühlen lassen, mit Zucker und Zimt mischen, beiseite stellen.

Als erstes werden die Teigblätter mit der Mandel-Zucker-Zimtmischung gefüllt.

Füllung 3:
Safranfäden in dem Wasser einweichen. Die übrigen Zutaten vorbereiten.
Hähnchenschlegel bei großer Hitze in Olivenöl von allen Seiten anbraten, aus dem Topf nehmen. Zwiebeln in den Topf geben und ebenfalls anbraten, dann die Hähnchenschlegel wieder dazugeben, Gewürze und Safranwasser hinzugeben, auf niedriger Hitze bei geschlossenem Deckel für 30-45 Min. garen, bis sich das Fleisch leicht von den Knochen löst. 
Die Hähnchenschlegel herausnehmen und abkühlen lassen, währenddessen den Sud mit den Zwiebeln bei mittlerer Hitze im offenen Topf einkochen lassen, bis eine dickflüssige Sauce entsteht. 
Das Hähnchenfleisch von den Knochen lösen, in kleinere Stücke zupfen und mit der Sauce mischen, anschließend beiseite stellen.


Als dritte Schicht die würzig-milde Hähnchenfüllung.
Füllung 2:
Während der Hähnchensud einkocht, ist ein guter Moment, die zweite Füllung vorzubereiten. Eier verquirlen. In einer heißen Pfanne ein klein wenig Öl verteilen, die Petersilie knapp andünsten, mit dem verquirlten Ei übergießen, als Rührei braten, beiseitestellen.

Die mittlere Schicht besteht aus Rührei mit Petersilie.

Nun die Pastete zusammensetzen: eine flache Schale mit drei Teigblättern auslegen, so dass der Teig seitlich überhängt, dabei jede Schicht mit flüssiger Butter einstreichen. Dann nacheinander die Mandelfüllung, die Eierfüllung und die Hähnchenfüllung aufschichten und flach andrücken. 


Die Teigränder über den Füllungen zusammenklappen.

Mit den überhängenden Teigblättern verschließen, dabei immer wieder mit flüssiger Butter einstreichen, damit der Teig nicht reißt. Mit dem vierten Teigblatt abschließen. Dann die Pastete auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech stürzen. Die Pastete mit Eigelb einstreichen und bei 180 Grad Ober/Unterhitze für  15-30 Min backen, bis die Pastete goldbraun ist.

Die Pastete auf ein Blech stürzen und mit Eigelb einstreichen.

Die Pastete auf eine Platte setzen und mit Puderzucker bestäuben. Dazu gab es bei uns frische Granatapfelkerne, Joghurt und einen trockenen Lemberger vom Weingut Fried Baumgärtner, Hohenhaslach, aus dem SolidAHRitäts-Weinpaket.

Die goldbraune Pastete aus dem Ofen nehmen.



Blogger Aktion "Die kulinarische Weltreise" von @volkermampft hält in Marokko - die besten Rezepte und Gerichte der marokkanischen Küche Die anderen Reisenden haben diese Gerichte gefunden: Britta von Backmaedchen 1967 mit Mandel Ghriba Wilma von Pane-Bistecca mit Marokkanisches Fischgericht mit Couscous und Jogurt Sauce Kathrina von Küchentraum & Purzelbaum mit Marokkanisches Fladenbrot aus der Pfanne Sonja von fluffig & hart mit Marokkanisches Kofta Kebab Sonja von fluffig & hart mit Baghrir - marokkanische Pfannkuchen Simone von zimtkringel mit Marokkanisches Schmorhähnchen Jill von Kleines Kuliversum mit Salzzitronen Jill von Kleines Kuliversum mit Harira - marokkanische Suppe Britta von Brittas Kochbuch mit Bunte Gemüsetajine mit Falafel Petra aka Cascabel von Chili und Ciabatta mit Marokkanische Chorba mit Lamm, Gemüse und Safran Petra aka Cascabel von Chili und Ciabatta mit Amlou – marokkanischer Mandel-Honig-Dip mit Arganöl Tina von Küchenmomente mit Zitronen-Ghriba Anja von GoOnTravel mit Marokkanische Linsensuppe – Harira (vegan) Susanne von magentratzerl mit Harira Edyta von mein-dolcevita mit Marokkanische Ingwer- Kekse Petra aka Cascabel von Chili und Ciabatta mit Shrimps-Gemüse-Tagine mit Salzzitronen Dirk von low-n-slow mit Dafina aus dem Slowcooker Michael von SalzigSüssLecker mit Briouats - dreimal lecker Marie-Louise von Küchenliebelei mit Rindfleisch-Tajine mit Datteln Sonja von fluffig & hart mit gegrilltes marokkanisches Hähnchen Carina von Coffee2Stay mit Harira: Marokkanische Hühnersuppe Volker von Volkermampft mit Marokkanisches Meloui (Malawi) – Leckeres Pfannenbrot Volker von Volkermampft mit Marokkanische Hackbällchen aus Lamm in Tomatensoße Susan von Labsaliebe mit Rote-Bete-Salat mit Ziegenkäse und Orangen poupou von poupous geheimes Laboratorium mit Bastilla




11 Kommentare:

Petra aka Cascabel hat gesagt…

Sehr schön gemacht! An Pastilla habe ich mich vor vielen Jahren auch schon mal versucht und fand die Kombination aus süßen und pikanten Aromen köstlich.

Übrigens stoßen mich an diesen Backformaten auch die entsetzlich knallbunten Dekorationen ab. Ich verstehe gar nicht, dass so etwas Liebhaber findet.

poupou hat gesagt…

@Cascabel: Das verstehe ich auch nicht - und das englische Vorbild zeigt auch, dass es das quietschbunte nicht braucht, obwohl es dort auch immer wieder Freund*innen der Lebensmittelfarbe gibt, aber das sind eben nur mal einzelne und wird von der Jury auch nur mäßig honoriert.

LG
poupou

Susan hat gesagt…

Ich hab mich so gefreut, als ich gesehen habe, dass es doch noch ein Rezept für Pastilla in der Liste gibt.
Und dann auch noch mit Hühnchen, für mich ist sie ein absoluter Klassiker der marokkanischen Küche.
Vielen Dank für das tolle Rezept.

Herzliche Grüße

Susan

Marie-Louise hat gesagt…

Oh, ich liebe The Great British Bake Off und finde wie bei vielen anderen britischen Serien, dass es dafür tatsächlich gar kein deutsches Äquivalent gibt. Die britischen Originale, gerade beim Bake Off, sind so schön anzsuehen! Hach, hach! Dein Rezept liest sich ganz wunderbar, schön, dass Du dabei bist!
Liebe Grüße
Marie-Louise

poupou hat gesagt…

@Marie-Luise: wie schön, dass du das kennst! Ich bin ja auch ein großer Fan von "The Great Pottery Throw Down" - ich bin gespannt, ob wir das auch noch im deutschen Fernsehen sehen werden, denn die Keramikwelle scheint hier ja auch anzurollen. Oder ob die Welle vorher kippt und wir plötzlich alle dringend weißes Porzellan brauchen werden. ;)

LG
poupou

Tina von Küchenmomente hat gesagt…

Die Folge von Das Große Backen habe ich zufällig auch gesehen und die Pastilla/Bastilla ist auch bei mir hängengeblieben. Großartig, dass du dich schon erfolgreich daran gewagt hast. Dann weiß ich jetzt ja, wo ich ein erprobtes Rezept finde ;-) .
Liebe Grüße
Tina

fluffig & hart hat gesagt…

Die Kombination hört sich wirklich spannend an, aber Fleisch mit Süßem gibt es im Endeffekt auch bei uns, wenn man nur an Wild und Preiselbeeren denkt. Interessantes Rezept!

Simone von zimtkringel hat gesagt…

Pastilla reizt mich schon eine ganze Weile, vielen Dank für das tolle Rezept!
Ich habe mit Spaß gelesen, dass es noch mehr Menschen beim Betrachten der Backshows ähnlich geht: Die Showtorten in bunt sind nicht so meins. Die englische Version liegt mir auch deutlich mehr. Liebe Grüße Simone

Anja hat gesagt…

Ich habe das erste Mal von der Bastilla in der Sendung "Das große Backen" erfahren. das dachte ich mir schon, oh wow was für ein Aufwand, aber ich würde es zu gerne Mal probieren. Wie kann man sich den Geschmack vorstellen?

poupou hat gesagt…

Liebe Anja, der Geschmack ist intensiv würzig, aber mild, ohne jede Schärfe. Es schmeckt nicht wirklich süß, der Zucker wirkt wohl eher wie ein Geschmacksverstärker (letztlich wie auch Salz), der Gesamteindruck ist schon eher, dass das ein salzig-herzhaftes Gericht ist, aber eben sehr rund, weil sich so ein Spiel zwischen süß und salzig gibt. Dazu kommen die verschiedenen Texturen durch die eher weichen Füllungen und der knusprige Teig. Es ist auch eigentlich gar nicht so aufwändig, vermutlich geht es ganz leicht von der Hand, wenn man es ein paarmal gemacht hat. Liebe Grüße, Poupou

volkermampft hat gesagt…

Liebe Poupou,

beim Lesen war ich erst etwas verwirrt, wo den nun die süße Füllung hin muss. Aber das klärt sich ja. Das Rezept hört sich wirklich spannend an und merke ich mir sicher für einen passenden Anlass.

Gruß Volker