Wir frühstücken einigermaßen flott (das übliche selbstgebackene Roggenbrot, Schinken, Käse, Erdbeer-Sanddornmarmelade aus eigenem Sanddorn, Kaffee, Hafermilch), so dass ich ohne Stress kurz vor sechs das Haus verlasse. Es ist garnichtmal so kalt und trocken. Ich bastele die FFP2-Maske hinter die Ohren und bin schon jetzt froh, dass das heute erstmal mein letzter ÖPNV-Tag sein wird. Der Bus zum Zoo kommt pünktlich, weniger als 10 Mitreisende und ich rausche noch einmal durch die dunkle und leere City West und vorbei an der blau glimmenden Gedächtniskirche. Auf dem Bahnsteig ist es deutlich frischer, ich bin froh, als der Zug kommt, auch hier nur wenige Passagiere. Nach Spandau habe ich das Obergeschoss meines Waggons für mich. Ich lese erst im Internet und dann Friedrich Schulz von Thun zum Inneren Team. Seine Maxime "docere et delectare" setzt er beneidenswert gut um. Ich hoffe, das wird mir irgendwann auch gelingen. Ich lese mich fest.
Kurz vor halb acht steige ich in N. um. Das Bähnchen steht schon am Nachbargleis. Wir sind heute zu fünft. Ich lese weiter, während wir durch die Dämmerung tuckern. In K. liegt noch Schnee, aber die Wege sind frei und trocken. Ich reiße mir die Maske vom Gesicht, reibe meine wehen Ohren und atme endlich wieder tief durch. Um 8:02 checke ich ein und gehe dann an die Arbeit. Um Zeit zu sparen, bleibe ich über Mittag im Büro. Es gibt ein Sammelsurium aus Heringshappen in Sahne mit Gurke und Dill, dazu Paranüsse, schwarze Oliven, gelbe Rüben, Orange, Birne, danach noch einen Riegel Schokolade). Gegen 16:30 reibe ich die Möbel mit der Bürogeheimwaffe Fensterreiniger ab, wasche mein Geschirr und packe meine Handbücher, Ordner und anderen Unterlagen für die nächsten Wochen zusammen. 16:52 checke ich aus. Es ist merklich kälter geworden und ich bin froh, dass das Bähnlein schon am Bahnhof wartet. Ein letztes Mal FFP2-Maske installieren, Ohren Reiben, Brille justieren. In N. verlasse ich kurz den Bahnhof und nutze die lange Umsteigezeit für ein paar Minuten ohne Maske. Immerhin ist der Regio pünktlich. Dafür deutlich voller als an den anderen Tagen, an denen ich im späteren Zug unterwegs war.
Während der Fahrt lese ich einen langen Essay in der New York Times über das englische Dokumentarfilmprojekt "7up", das eine Gruppe von 14 Engländern im Rhyythmus von sieben Jahren durch ihr Leben begleitet. Der Essay erschien 2019 anlässlich von "63up". Mir kommen beim Lesen fast die Tränen.
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