Samstag, 31. Juli 2010

die weisheit der vielen und das wissen des einzelnen



während der blaubeerkuchen bäckt, sitze ich auf der terasse und lese in dem buch "die weisheit der vielen" von james surowiecki, das mir eine linuxbegeisterte praktikantein einmal geschenkt hat. in den letzten wochen hatte ich mich schon bis seite 90 vorgearbeitet, teils amüsiert wegen der geschilderten beispiele, teils genervt, weil die deutsche übersetzung mich penetrant an die lektüre von "das bester aus reader's digest" erinnert, das meine großmutter als wc-lektüre bereithielt, als ich ein kind war. großäugig klebten deren sätze am amerikanischen original, pressten den englischen satzbau ungerührt in seltsame deutsche satzkonstruktionen und benutzten, lexikalisch wenig treffsicher, eigenartige worte, um im grunde banale sachverhalte wiederzugeben.

in seinem buch beschreibt surowiecki nicht nur die weisheit der vielen sondern auch deren grenzen, z.b. bei unkritischer übernahme von informationen. just im fraglichen kapitel ist auch der übersetzer, gerhard beckmann, in diese falle gegangen (s. 97):"dafür bietet eines der zuvor bereits erwähnten klassenzimmer-experimente einen interessanten beleg. es wurde von den ökonomen angela hung und cherles plott im rückgriff auf eine uralte übung entwickelt, in der schüler farbige kugeln von einer vase abzeichnen." vor meinem geistigen auge erscheint eine griechische vase mit kugeldeko, die von eifrigen schülern abgezeichnet werden. aber worin besteht nun das experiment?

das buch fährt fort "hier gab es nun zwei vasen. die vase a enthielt doppelt so viele weisse kugeln wie schwarze; bei vase b lag das verhältnis umgekehrt. zu beginn wählten die experimentatoren eine der beiden vasen aus, von der dann jeweils ein freiwilliger nach dem anderen eine kugel abzeichnete. die von allen teilnehmern am experiment zu beantwortende frage lautete: welche der beiden vasen hatte modell gestanden? als preis waren zwei dollar ausgesetzt." die spinnen die amerikaner, mag man denken, jedes schuljahr wieder (uraltes klassenzimmer-experiment) setzen sich die schüler vor vasen, entnehmen ihnen kugeln und zeichnen diese ab. danach wird geraten, aus welcher vase die kugel stammt. hääää? "den teilnehmern standen zur beantwortung dieser frage zwei informationsquellen zur verfügung. da war zunächst einmal die kugel, die jeder für sich vorher abgezeichnet hatte. hatte jemand eine weiße kugel abgezeichnet, stand es zwei zu eins, dass sie von vase a, hatte er eine schwarze gezeichnet, dass sie von vase b stammte."

dem übersetzer stand hier offensichtlich nur eine informationsquelle zur vefügung: ein schwachbrüstiges wörterbuch, das für das englische "to draw" nur die übersetzung "zeichnen" kennt. daraufhin wurde gerhard beckmann zum experimentator und griff auf die uralte übung zurück, sätze, die nicht passen, passend zu machen. so stehen hier plötzlich vasen modell und werden gemälde schwarzer kugeln verglichen.

für mich ein grund, das buch nun lieber ins regal zurückzustellen und auf weitere weisheiten zu verzichten. das glück ist ja ohnehin bei den dummen. da warte ich lieber auf die heutige zeichnung der lottozahlen.

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